Wirtschaftsverbände und Lobbygruppen werden immer aktiver an Schulen und versuchen den Unterricht mitzugestalten. Wie können Schulen und Lehrkräfte mit dieser Entwicklung umgehen?
Wirtschaftsverbände, unternehmensnahe Stiftungen und Lobbygruppen sind mit kostenlosem Unterrichtsmaterial zunehmend an den Schulen präsent. Die Vermittlung von Wissen steht dabei oftmals nicht an erster Stelle, sondern ihnen geht es um die Vermittlung von politischen und wirtschaftlichen Anliegen an eine junge Zielgruppe.
Gleichzeitig befinden sich Schulen und Lehrkräfte zwischen zwei Stühlen. Sie sollen zum einen darauf achten, dass privatwirtschaftliche Interessen keinen zu großen Einfluss an den Schulen haben und die freie Meinungsbildung nicht beeinflusst wird. Zum anderen sollen Schülerinnen und Schülern aber auch Einblicke in die Arbeitswelt erhalten und dafür ist ein guter Kontakt und die Nähe zu Betrieben nötig. Daher stellt sich die Frage, welche Regeln gelten im Umgang mit kostenlosem Material und Expertinnen und Experten von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden und wie können Schulen und Lehrkräfte mit ihnen umgehen?
Rechtslage: Eindeutigkeit, die Freiraum lässt
Aus rechtlicher Sicht ist die Lage, was Werbung an Schulen betrifft, erstmal recht eindeutig; in den meisten Bundesländern ist Werbung an Schulen verboten. Allerdings gibt es auch Interpretationsfreiräume bei der Auslegung. So erklärt das Schulministerium NRW: „Jede Werbung, die nicht schulischen Zwecken dient, ist in der Schule unzulässig.“ Spielräume ergeben sich dadurch, dass Sponsoring nicht grundsätzlich verboten ist. Das Schulministerium: „Sponsoring an Schulen ist eingebunden in den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule. Deshalb müssen die Sponsoringmaßnahmen und der damit verbundene Werbezweck mit dem Schulauftrag vereinbar sein. […] Der Werbeeffekt solcher Hinweise soll dabei deutlich hinter dem schulischen Nutzen zurücktreten.“
Die Entscheidung, ab wann Material oder der Einsatz von Expertinnen und Experten in Schulen den schulischen Zwecken dient oder ob es deutlich hinter dem schulischen Nutzen zurücktritt, bleibt den Lehrkräften und der Schulleitung überlassen.
Ziele von Lobbyismus an Schule
Um Lobbyismus zu erkennen, sollte man sich zuerst den Zielen von Lobbyismus widmen und diese verstehen. Unternehmen, Wirtschaftsverbände und Lobbygruppen verfolgen dabei oft mehr als nur ein Ziel. So kann es zum Beispiel darum gehen, dass Image einer Firma oder Branche bei jungen Menschen zu verbessern oder bestimmte Inhalte des Unterrichtes zu beeinflussen. Schülerinnen und Schüler sind auch eine interessante Käufergruppe, die es zu gewinnen gilt und womöglich an eine bestimmte Marke heranzuführen und zu binden. Auch die Personalgewinnung („Employer Branding“) kann eine Motivation sein.
Um diese Ziele zu erreichen, werden kostenlose Unterrichtsmaterialien, Fortbildungen von Lehrkräften oder der Besuche von Firmenvertretern oder Expertinnen und Experten in den Schulen angeboten. Diese Experten bieten dann zum Beispiel an, Schulstunden abzuhalten und damit die Lehrkräfte zu entlasten. Auch das Argument, Schulen und die Schülerinnen und Schüler für die Zukunft und die Arbeitswelt vorzubereiten, wird gerne genutzt, um Lobbyarbeit in den Schulen zu ermöglichen.
Wie erkennt man Lobbyismus an Schulen
Zuerst sollte man als Lehrkraft überprüfen, von wem das Material stammt bzw. wer es produziert hat. Seriöse Anbieter geben dies deutlich zu erkennen, bei Vereinen oder Stiftungen ist es sinnvoll, sich über die Geldgeber der entsprechenden Organisationen zu informieren. Mit diesem Wissen über die Anbieter von Materialen sollte man die Interessen und die damit verbundenen Ziele hinterfragen. Sind bestimmte Ziele oder politische Meinungen im Lernmaterial zu erkennen? Ist die Pluralität von Meinungen gegeben oder sind Darstellungen einseitig? Es sollte auf ausgeglichene Perspektiven geachtet werden und bei digitalen Medien darüber hinaus, ob die Daten von Nutzern erfasst werden und falls ja, wie und in welchem Umfang diese verwertet werden. Schulen sollten zudem darauf achten, ob mit den angebotenen Materialien bestimmte Abhängigkeiten einhergehen, die die Schule oder Lehrkräfte in irgendeiner Form in ihren zukünftigen Entscheidungen beeinflussen könnten.
Falls es bei einem der erwähnten Punkte zu Fragen oder Unstimmigkeiten kommt, sollte man sich ans Kollegium wenden, um die entsprechenden Fragen gemeinsam zu erörtern. Auch die Schulleitung kann in diesem Prozess eingebunden werden um Zweifel auszuräumen.
Thema im Unterricht besprechen
Auch wenn man mit Lobbyismus in erster Linie politische Prozesse verbindet, so kommt es auch zunehmend in Schulen vor. Lobbyismus muss nicht immer negativ sein, es kann legitime Gründe für Lobbyismus geben, wie in der Politik, so auch in der Schule. Doch gerade die Schulen mit ihrem Bildungsauftrag haben eine besondere Verantwortung und müssen die Schülerinnen und Schüler vor Manipulation und Einflussnahme schützen.
Lobbyismus und Werbung sollte daher im Unterricht besprochen werden, um ein Verständnis von seiner Funktionsweise zu vermitteln und die Schülerinnen und Schüler zu ermächtigen, Einflussnahme zu erkennen und selbstbestimmt einzuordnen. Eine Möglichkeit, sich diesem Thema zu nähern, ist es, sich mit besonders manipulativem Material zu beschäftigen und dieses im Unterricht kritisch zu thematisieren. Damit können Schülerinnen und Schüler an konkreten Beispielen die Funktionsweise verstehen und daraus lernen.
Viele Grüße
Deine Lehrerinsel-Redaktion
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