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Russlands Vergangenheit – Schlüssel zu Putins Handeln?

russischer Soldat
Soldaten der Russischen Garde © WikiImages auf Pixabay

Wladimir Putins Amtszeit als Präsident ist durch mehrere Kriege geprägt. Die Interventionen in Syrien, Georgien und Tschetschenien wurden völkerrechtlich legitimiert. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine seit dem 24.2.2022 wird dagegen als „historische Mission Russlands“ (Schulze Wessel) durch Geschichtsnarrative (z.B. der angeblichen Gemeinsamkeit der Ukrainer und der Russen in der „Rus“ des Mittelalters) gerechtfertigt. Welche Macht Geschichte durch Manipulation und Instrumentalisierung haben kann, ist ein wesentliches Erkenntnisziel für SuS in der Beschäftigung mit russischer Geschichte. Der Bezugsrahmen (usable past) ist hierbei das imperiale Bestreben seit Peter I.. Putin sieht sich selbst als Vollstrecker langer Kontinuitätslinien der russischen Geschichte. Der Referenzrahmen stellt eine besondere Herausforderung für den Unterricht der russischen Geschichte dar. Die aktuelle Entwicklung und die Benchmark westeuropäische Entwicklung lässt die Beschäftigung mit Russland schnell zu einer Defizitgeschichte und zur Diskussion der Rückständigkeit werden. Hier ist zu betonen, dass es verschiedene Wege der Entwicklung gibt und auch in der russischen Geschichte alternative Entwicklungspfade, z.B. 1917 hin zur Demokratie, möglich waren.

Was versteht man unter einem Imperium? Welche Bedeutung hat der imperiale Gedanke in Russland?

Die allgemein anerkannte Definition John MacKenzies beschreibt ein Imperium als ein „expansionistisches Staatswesen, das verschiedene Formen der Souveränität über ein Volk oder mehrere Völker hat, deren Ethnizität different von (in manchen Fällen auch gleich mit) der eigenen ist.“ Russland startete Ende des 16.Jahrhunderts ein Eroberungsprogramm, das „Sammeln russischer Erde“. Das „Totenhaus“ (Name eines Romans Fjodor Dostojewskis) Sibirien diente als Strafkolonie.

Das Verbannungssystem war entscheidend für die Kolonisation Sibiriens, das ein „riesiges offenes Gefängnis“ (Daniel Beer) war. Zwischen 1801 und 1917 wurden eine Million Menschen verbannt, darunter
viele Revolutionäre, z.B. auch Wladimir Lenin. Der riesige Landstrich östlich des Ural wurde ein „Revolutionslabor“. Russland expandierte im 18.Jahrhundert aber auch nach Westen. Die Ukraine wurde nach Auflösung des Hetmanats im 17.Jahrhunderts Teil des Zarenreichs und dann nach einem kurzen Intermezzo als Nationalstaat 1917/18 Bestandteil des „inneren Imperiums“ der UDSSR.

Unterrichtsidee für die Kursstufe: Textkritische Analyse von Auszügen aus Putins historischem Essay. Anschließend Vergleich mit internationalen Reaktionen und der Bewertung durch Historiker.
Links:
Putins Manifest: „Über die historische Einheit von Russen und Ukrainern“ | Grams IT (grams-it.com)

On the Historical Unity of Russians and Ukrainians – Wikisource, the free online library

Entdecke die Ausgabe
Stalinismus

Geschichte betrifft uns Ausgabe 3/2016

Die Materialien dieser Ausgabe spannen einen weiten Bogen von den Ursprüngen des Stalinismus über die Bedeutung des Personenkults hin zum „Export“ des Stalinismus nach Mittel- und Osteuropa und schließlich zur Entstalinisierung.

Das Ringen um die Wahrheit – die Macht der Geschichte im russisch-ukrainischen Konflikt

Die Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und Russland über die richtige Deutung der Hintergründe der Hungersnot der 1930er-Jahre kann beispielhaft im Unterricht behandelt werden, um die Funktion von „Geschichte als Waffe“ im aktuellen Konflikt zu verdeutlichen. In der Ukraine wird der „Holodomor“ als Genozid betrachtet. Stalin setzte Hunger als Waffe ein, um den aufkeimenden Nationalismus in der Ukraine zu ersticken. In Russland sieht man die Geschehnisse als gemeinsame Katastrophe, die von westlichen Kräften instrumentalisiert wird, um einen Keil zwischen Ukrainer und Russen zu treiben.

Ein anderes Beispiel ist die Krim. Putin fordert sie als legitimen Besitz, da sie „urrussisch“ sei. Die Schenkung der Krim 1954 sei unwirksam. Tatsächlich kam die Krim erst 1783 als Eroberung an das Zarenreich und wurde in der Folgezeit durch „religiöse Aufladung“ zu einem mythisch überhöhten Bestandteil Kernrusslands.

Unterrichtsidee: Recherche des Genozidbegriffs und der historischen Debatte. Im Anschluss Vergleich mit der Debatte im Deutschen Bundestag.
Links:
Holodomor:
Ukraine’s Holodomor Through An Austrian’s Eyes (rferl.org)

Was war der Holodomor in der Ukraine? | Hungersnot 1932/1933 – SWR Wissen

Holodomor in der Ukraine: Erinnern – Gedenken – Mahnen, Drucksache 20/4681 (bundestag.de)

Krim:
Analyse: Die symbolische Bedeutung der Halbinsel Krim für Russland | Russland-Analysen | bpb.de

Analyse: Geschichtspolitik statt Völkerrecht | Russland-Analysen | bpb.de

Russland unter Putin – zurück zu den Zaren und zu Stalin?

Russland wird seit 750 Jahren despotisch regiert. Selbst nach der Modernisierung Ende des 19.Jahrhunderts und der Februarrevolution 1905 blieb Russland autokratischer als das restliche Europa. Obwohl Putin eine „Diktatur der Gesetze“ ausrief, sind die staatlichen Strukturen im heutigen Russland nur Fassade („gelenkte Demokratie“); es herrscht staatliche Willkür und Gewalt. Gegner des Staates werden aufgrund erfundener Straftaten zu langen Haftstrafen verurteilt. Putin, zu Beginn seiner Amtszeit noch weniger autoritär, knüpft nun an die lange Tradition der absoluten Autokratie in der russischen Geschichte an. Zwar war der Staat der kommunistischen UdSSR nach der Oktoberevolution 1917 auch allmächtig, allerdings hatten sich die poststalinistischen Führer in aller Regel noch mit der Gegenmacht des Politbüros auseinanderzusetzen.

Stalin, „Herr des Terrors“ stürzte das Land durch seine staatliche gelenkte schnelle Industrialisierung mit Schwerpunkt Schwerindustrie und der parallel verlaufenden Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in eine ökonomische und humanitäre Krise. Diese „Revolution von oben“ glich einem Krieg gegen die eigene Bevölkerung (Neutatz). Vielen Menschen landeten im Arbeitslager, Alexander Solschenizyns „Archipel Gulag“.

Der französische Philosoph Michel Foucault stellte dar, wie staatliche Strukturen zu Gewalträumen werden. Für die gesellschaftliche Mehrheit werden die Grenzen des Sagbaren definiert, die Angst vor staatlicher Willkür führt dazu, dass Normen akzeptiert werden. Der Staat fördert die Selbstjustiz und Denunziation zur Disziplinierung der Bevölkerung.

Auch das moderne Russland handelt nach diesen Prinzipien: der Tiktok-Star Nekoglai wurde nach einer Parodie auf russische Soldaten verhaftet, rasiert und ausgewiesen. Das Vorgehen gegen Prigoschin und die nationalistische Rechte erinnert an die klassischen Säuberungen der Stalin-Zeit. Putin hat den Rechtsweg endgültig verlassen. Ein Vorgehen gegen ihn scheint nur noch von außen möglich.

Es scheint unstrittig, dass dauerhafter Frieden in Europa nur durch eine umfassende politische Zäsur in Russland unter Aufgabe der traditionellen, imperialen Bestrebungen möglich sein wird.

Unterrichtseinheit zu Stalin:
Mögliche Leitfragen bei der Analyse der Herrschaftssysteme Stalins und Putins:

  1. Vergleichen Sie das Vorgehen Putins gegen die Opposition mit dem „Großen Terror“ der Stalin-Zeit.
  2. Erläutern Sie, in welchen Situationen in einer Bevölkerung der Wunsch nach einem
    interventionistischen Staat bzw. einer „eisernen Hand“ entstehen kann.
  3. Bewerten Sie den Charakter der staatlichen Intervention in die Wirtschaft unter Stalin und Putin.

     


    Relevante Literatur:
  • Beer, Daniel: Das Totenhaus. Sibirisches Exil unter den Zaren, München 2018.
  • Neutatz, Dietmar: Träume und Alpträume. Eine Geschichte Russlands im 20.Jahrhundert, München 2013.
  • Schulze Wessel, Martin: Der Fluch des Imperiums. Die Ukraine, Polen und der Irrweg in der russischen Geschichte, 2. Aufl. München 2023.

Viele Grüße
Deine Lehrerinsel-Redaktion

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