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Gewalt gegen Lehrkräfte

Gewalt gegen Lehrer nimmt zu.
Gewalt gegen Lehrkräfte © Nadine Shaabana - Unsplash

Fälle von Beleidigungen, Demütigungen und körperliche Gewalt nehmen an deutschen Schulen seit Jahren kontinuierlich zu. Auch Lehrkräfte werden dabei immer häufiger Ziel von Angriffen und Gewalt.

In den letzten Jahren ist eine alarmierende Zunahme von Fällen zu verzeichnen, in denen Lehrerinnen und Lehrer Opfer von körperlichen Angriffen, Beleidigungen und Cyber-Mobbing wurden. Ein tragischer Höhepunkt dieser Entwicklung ist ein Fall aus Ibbenbüren, bei dem ein Schüler seine Lehrerin tödlich verletzt hat. Auch wenn dies einen extremen Einzelfall darstellt, so berichten doch immer mehr Lehrkräfte über eine zunehmende Verrohung im Klassenzimmer.

Welche Ursachen stehen hinter dieser Entwicklung? Und welche Möglichkeiten haben Schulen und Lehrkräfte, um dieser Entwicklung entgegenzutreten?

Schulen berichten von einer Zunahme von Gewalt

Im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) wurden 2022 in einer repräsentativen Forsa-Umfrage 1300 Schulleitenden zum Thema Gewalt in Schulen befragt. Im Vergleich zu 2018 nahmen die Fälle von Beschimpfungen, Bedrohungen und Diffamierungen, sowohl direkt als auch über das Internet zu. Im gleichen Zeitraum haben auch die Fälle von körperlicher Gewalt gegen Lehrkräfte zugenommen. Noch 2018 berichteten nur ein Viertel aller Befragten von körperlicher Ge-walt, während es 2022 schon ein Drittel aller Schulleitenden angab, dass es zu Fällen von körperlicher Gewalt gegenüber Lehrkräften kam.

Bereits in den Grundschulen berichten mehr als die Hälfte der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter von Beschimpfungen, Bedrohungen und Belästigungen und mehr als ein Drittel von kör-perlichen Angriffen. An Förder- und Sonderschulen berichten 74% der Schulleiter in der Studie von körperlicher Gewalt im Vergleich zu „nur“ 6% an Gymnasien. Cybermobbing hingegen ist insbesondere an Haupt-, Real-, Gesamtschule sowie Gymnasien verbreitet.

„Rechnet man die Prozentangaben auf die Grundgesamtheit der allgemeinbildenden Schulen hoch, bedeutet das, dass es in den letzten fünf Jahren an fast 20.000 Schulen zu psychischer und an jeweils gut 10.000 Schulen zu Cyber-Mobbing oder körperlicher Gewalt kam“ so der VBE-Vorsitzende Beckmann.

Schüler und Schülerinnen sowie Eltern waren laut der Studie in den meisten Fällen die Täter von psychischer Gewalt. Bei physischer Gewalt gegen Lehrer und Lehrerinnen ging diese hingegen zu 97% von Schüler und Schülerinnen aus.

Lehrermangel verstärkt das Problem

Der immer deutlich werdende Lehrermangel in Deutschland (mehr als 12.000 nicht besetzte Stellen) hat nicht nur Auswirkungen auf Unterrichtsausfälle und die Überarbeitung von Lehrkräften. Viele sehen durch den Mangel an Lehrkräften auch das Gewaltpotenzial an den Schulen steigen. Zu wenige Lehrkräfte ständen zunehmend immer größeren Klassen gegenüber. Die Zeit, sich um einzelne Schüler zu kümmern, wird so immer weniger.   

GEW-Chefin Gerth: “Da ist es nicht einfach, allen Kindern gerecht zu werden und auf alle zu reagieren und das kann dann auch zu Frustration und Aggression bei den Kindern führen.”

Multidimensionale Krisen auch in den Schulen

Neben dem strukturellen Problem des Lehrermangels an deutschen Schulen sind die Schüler und Schülerinnen, aber auch die Lehrkräfte mit unterschiedlichen Herausforderungen gleichzeitig konfrontiert. Die Corona-Krise mit ihren bis heute andauernde soziale Herausforderungen wirkte insbesondere im Bereich des Cyber-Mobbings als Katalysator. Weitere Krisen wie der Krieg gegen die Ukraine, die Klimakrise und die Migration stellen das Schulsystem vor schwierige Probleme. Dies kann bei Kindern und Jugendlichen Stress, Ängste, psychische und soziale Konflikte auslösen, die, wenn sie nicht aufgefangen werden, in Gewalt umschlagen können.

Folgen für Körper und Geist

Das Erleben von körperlicher Gewalt, Belästigungen und Cyber-Mobbing kann zu extrem negativen Folgen für die Lehrkräfte führen. Mobbing kann die körperliche und seelische Gesundheit auch über Jahre hinweg negativ beeinflussen. Folgen können Schlafstörungen und Depressionen sein. Bei körperlicher Gewalt kann das Sicherheitsgefühl einer Person auf lange Frist sich verändern, welches ebenfalls negative psychische Folgen haben kann.            

Umso wichtiger ist es, dass in den Schulen vom Kollegium bis zur Schulleitung und den Schulämtern es klare Handreichungen und Verfahrensweisen gibt, wie einer betroffenen Lehrkraft schnell, unkompliziert und unbürokratisch individuell geholfen werden kann. Ein großes Problem stellt allerdings die Tabuisierung des Themas dar. In der Forsa-Umfrage von 2022 gaben die Hälfte der Befragten an, dass das Thema Gewalt gegen Lehrkräfte in Deutschland ein Tabu-Thema sei.

Ein offener Umgang ohne die Angst von Stigmatisierungen sowie die Unterstützung durch den Arbeitgeber für die Lehrkräfte sollte aber zur Selbstverständlichkeit werden.

Mehr Personal und bessere Ausbildung

Bereits im Studium und während der praktischen Ausbildung sollte ein stärkerer Fokus auf die Vorbereitung der Anwärterinnen und Anwärter auf Gewaltsituationen gelegt werden. Die proaktive Ausbildung auf extreme Ereignisse wird bis jetzt im Studium vernachlässigt, sodass junge Lehrkräfte auf diese unvorbereitet reagieren müssen. Ein weiterer Pfeiler wäre die Stärkung der Schulsozialarbeit und Schulpsychologen, die die Lehrkräfte in einem multiprofessionellen Team unterstützen können.

In Sachsen wird zusätzlich ein neuer Ansatz für Prävention angeboten. So gibt es dort Selbstverteidigungskurse für Lehrkräfte, welche von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft angeboten wird. Den Teilnehmern wird dabei der Rechtsschutz sowie Herangehensweisen zur Deeskalation nähergebracht und an wen man sich für Hilfe wenden kann. Im weiteren Verlauf des Kurses werden Techniken vermittelt, mit denen man souveräner auf schwierige Situationen reagieren kann als auch wie man einen Angriff abwehren kann.

 

Hast Du auch schon mal Erfahrungen mit Gewalt an Schulen gemacht? Wie gehst Du mit solchen Situationen um? Schreibt uns eine Mail unter: info@lehrerinsel.de

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