Spätestens seit ChatGPT im November 2022 veröffentlicht wurde, ist das Thema künstliche Intelligenz in die öffentliche Wahrnehmung gerückt und in den Schulen angekommen. Schülerinnen und Schüler nutzen den ChatBot des US-amerikanischen Forschungslabors OpenAI, Lehrerinnen und Lehrer diskutieren, wie sie Leistungen, die mithilfe der KI entstanden sind, bewerten sollen. Die Verunsicherung ist groß: Wie ist der richtige Umgang mit KI in Schulen? Wie kann sie sinnvoll eingesetzt werden? Stehen wir von einer Revolution des Lehrens und Lernens? Welche Kompetenzen müssen Schülerinnen und Schüler erwerben und wie können diese überprüft werden?
Wie funktioniert ChatGPT?
ChatPGT bedeutet „Generative Pre-Trained Transformer“. Die Software des Chatbots beruht auf dem Prinzip des „Deep Learning“. Deep Learning ist eine Methode der künstlichen Intelligenz, die darauf abzielt, Computer in die Lage zu versetzen, Daten ähnlich wie das menschliche Gehirn zu verarbeiten. Dafür entstehen künstliche neuronale Netze, die dem menschlichen Nervensystem ähneln. Diese versuchen, aufgrund statistischer Wahrscheinlichkeiten Antworten zu generieren, die der menschlichen Sprache ähneln. Die statistische Wahrscheinlichkeit basiert auf dem Training mit Milliarden von Wörtern und Sätzen. Antworten des Chatbots beruhen daher auf keiner Eigenleistung oder kreativen Denkarbeit. ChatGPT kann keine eigenen Werturteile fällen. Da die kostenlose Version keine Verbindung zum Internet hat und das Programm mit Daten bis zum Jahr 2021 trainiert wurde, sind keine aktuellen Informationen verfügbar.
KI-Tools im Unterricht – produktiver Umgang anstelle eines Verbotes
Diskussionen um das Thema ChatGPT und KI kreisen häufig um das Wort „Verbot“. Ein Verbot ist kaum möglich und scheint wenig zielführend zu sein, da Tools wie ChatGPT nicht verschwinden werden. Zielführend sind Überlegungen, was ihr Einsatz für den Unterricht und für Prüfungsformate bedeutet. Welchen Nutzen haben Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler von KI-Tools? Welche Kompetenzen müssen sie entwickeln, um sie gewinnbringend nutzen zu können?
ChatGPT – Das Ende von Hausaufgaben?
Durch KI-Tools wie ChatGPT wird sich das Lehren und Lernen zwangsläufig verändern müssen. Wenn ChatGPT und ähnliche KI-Tools Aufgaben, wie „Erörtere die Vor- und Nachteile der Globalisierung“ in Sekundenschnelle beantworten können, haben diese über kurz oder lang ausgedient. Stattdessen sind neue Aufgabenformate und damit auch Prüfungsformate erforderlich. Wenn obige Aufgabe weniger offen formuliert und mit einem speziellen Beispiel verknüpft wird, kann das KI-Tool nur als Hilfe zum Einstieg dienen. Denkbar wäre eine Aufgabenstellung wie „Erörtere, inwiefern das Unternehmen XY in unserer Stadt von der Globalisierung profitiert“. Hier wird es erforderlich sein, dass die Lernenden eigene Recherchen vor Ort anstellen.
Wenn die Aufgabe dennoch als reine Abwägung der Vor- und Nachteile der Globalisierung gestellt werden soll, ist es sinnvoll, mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam das KI-Tool als Ausgangslage zu verwenden. Dieses ist zwar in der Lage, Argumente aufzuzählen, kann diese jedoch nicht bewerten und gewichten.
KI-Tools bedeuten folglich nicht das Ende von Hausaufgaben, erfordern jedoch eine Auseinandersetzung damit, wie Hausaufgaben noch sinnvollerweise gestellt werden können. Auch erfordern sie Überlegungen, welche Prüfungsformate genutzt werden sollen. Soll die klassische Hausarbeit noch eingefordert werden oder spiegeln mündliche Prüfungen die Leistung des Schülers oder der Schülerin valider wider? Können andere Prüfungsformate, wie das Erstellen eines Podcasts, eines Filmes oder eines Lernposters gewählt werden? Ein Verzicht auf Hausarbeiten wäre aus pädagogischer Sicht jedoch sicherlich nicht wünschenswert.
Politik betrifft uns Ausgabe 1/2018
KI-Tools – Wird Lernen überflüssig?
Erstaunlicherweise wird die Frage, ob im Zusammenhang mit ChatGPT Lernen fortan überflüssig wird, gerne gestellt. Erstaunlich ist dies deshalb, da wir weder das Lernen nach der Einführung des Internets, der Möglichkeit des Googelns, der Nutzung von Wikipedia und Co. eingestellt haben. Lernen wird nicht überflüssig, muss aber ergänzt werden. Die Schülerinnen und Schüler müssen im Zuge der Medienbildung einen kritischen Umgang mit KI-Tools lernen. Ihnen muss bewusst sein, dass ohne Wissen die Qualität der Antworten, die die KI liefert, kaum beurteilt werden kann. Über folgende Punkte sollte im Zusammenhang mit Chat-GPT mit den Schülerinnen und Schülern gesprochen werden:
- ChatGPT basiert auf „Wissen“ bis Sommer 2021.
- ChatGPT ist keine wissenschaftlich zuverlässige Quelle.
- ChatGPT kann als Hilfsmittel zur Informationsbeschaffung eingesetzt werden. Die Infor-mationen müssen jedoch kritisch überprüft werden, da sie nicht immer fehlerfrei sind.
- ChatGPT verzichtet auf Quellenangaben; werden Quellen angegeben, sind diese nicht zwangsläufig richtig.
- Wird der Einsatz von ChatGPT bei Hausarbeiten nicht kenntlich gemacht, gilt dies als Täuschung.
- ChatGPT wurde hauptsächlich mit Texten aus der westlichen Welt „gefüttert“ und bietet damit vorrangig diese Sichtweise.
Neben dem kritischen Umgang sollte den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden, was die KI leisten kann und wie dies für das eigene Lernen gewinnbringend genutzt werden kann. Hier bieten sich Übungen an, wie Anfragen, sogenannte Prompts, geschickt gestellt werden, um eine nützliche Antwort zu erhalten. Des Weiteren kann ChatGPT bei Folgendem Hilfestellung bieten:
- Beim Erklären unverständlicher Sachverhalte bzw. vereinfachen schwieriger Fachtexte.
- Bei der Übersetzung fremdsprachlicher Texte oder der Korrektur eigener Texte.
- Beim Erstellen einer Struktur bzw. Gliederungen einer Hausarbeit.
- ChatGPT bietet Feedback für eigene Texte.
- Beim Erstellen einer Musterlösung.
ChatGPT im Unterricht – ein hilfreiches Tool?
Die Ausführungen haben die Gefahren, aber insbesondere auch den Nutzen des KI-Tools für den Unterricht gezeigt. Wird ChatGPT richtig angewendet und werden die Ergebnisse kritisch betrachtet, ist es sicherlich ein hilfreiches Tool.
Da davon auszugehen ist, dass bei einer weiteren Entwicklung der KI, die Auswirkungen auf unser Bildungssystem immens sein werden. Da sich diese Entwicklung nicht stoppen lässt, sollte sich die Institution Schule damit auseinandersetzen. Hier ist es wichtig, dass Schule nicht nur reagiert, sondern proaktiv agiert. Anstelle eines Versuches, mittels Plagiatsscannern ChatGPT-Texte zu entlarven, müssen Unterrichtsmodelle und Prüfungsformate entwickelt werden, bei denen Plagiate nicht möglich sind. Anstelle eines Verbotes, sollte der Umgang mit der KI im Unterricht thematisiert werden und mit den Ergebnissen der KI-Tools gearbeitet werden.
Viele Grüße
Deine Lehrerinsel-Redaktion
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