Detektive der Vergangenheit
Rätsel und ihre Lösung üben eine große Faszination aus, auch auf Deine Schülerinnen und Schüler. Dies zu nutzen, um Motivation für unterrichtliche Themen zu schaffen, liegt eigentlich nahe. Die Methode „Mystery“ schafft hierzu die Rahmenbedingungen. Innerhalb der Geschichtsdidaktik zählt sie zu den neueren Unterrichtsmethoden und stammt ursprünglich aus dem Erdkundeunterricht. In den letzten Jahren erfreuen sich Mysterys auch innerhalb der Geschichtsdidaktik aufgrund ihrer vielen Vorteile zunehmender Beliebtheit
Das Grundprinzip
Grundlegend gemein haben alle Mysterys, dass im Einstieg ein rätselhafter Sachverhalt als „Fall“ präsentiert wird, der bei den Schülerinnen und Schülern eine kognitive Dissonanz auslöst und zur Auseinandersetzung mit dem Thema und zur Lösung des Geheimnisses anregt. Oftmals reicht hier auch schon eine provokante oder rätselhafte Aussage, deren Einzelteile (zunächst) nicht zusammenzupassen scheinen. Das Rätsel wird nun mithilfe von Hinweisen, die die Schüler/-innen auf kleinen Informationskärtchen erhalten, gelöst. Die Hinweise sind ungeordnet und von unterschiedlicher Wichtigkeit für die Lösung. Die Schüler/-innen müssen also alleine oder im Team die Informationen verstehen, gewichten, sortieren und zu einer schlüssigen Kausalkette verknüpfen.
Ganz im Sinne eines problemorientierten Unterrichts handelt es sich also um eine Lernaufgabe, die den gesamten Unterrichts- und Lernprozess steuert. Ist die Methode einmal in einer Lerngruppe eingeführt und geübt, dann gelingt die Bearbeitung mit einer minimalen Steuerung durch Dich und ermöglicht so viel aktive Lernzeit für deine Schülerinnen und Schüler.
Didaktischer Alleskönner
Die didaktischen Stärken der Mysterys liegen somit bereits auf der Hand: Durch die hohe Schüleraktivierung und das handlungs- und produktorientierte Vorgehen steht die Kompetenzförderung der Schüler/-innen klar im Mittelpunkt des Lernprozesses.
Weil die Vernetzung der Informationen von den einzelnen Kärtchen die Grundlage der Erarbeitung bildet, ist das Entwickeln eines historischen Narrativs ein Basismerkmal der Methode. Historische Zusammenhänge und historisches Denken rücken automatisch in den Fokus der Schülerinnen und Schüler. Werden bei den Informationen auch Quellen integriert, findet ebenso eine Schulung der Interpretationskompetenz statt. Anders als im „normalen“ Unterricht findet die Einordnung der Quelle in den Kontext „automatisch“ statt, weil die Informationen in das Narrativ des Mysterys eingebunden werden müssen.
Ist der Fall gelöst und eine schlüssige Struktur für die Informationen gefunden, ist es wichtig, die Ergebnisse in der Klasse vorzustellen und die Lösungen zu diskutieren. Die Hauptlinie der Argumentation ist meist eindeutig, die Details lassen sich aber unterschiedlich gruppieren und gewichten. Das Mystery erfüllt damit alle Voraussetzungen für ein optimales diskursives Lernprodukt.
Ein Beispiel für die Sek II - Napoleon und der Wetterbericht
Im „klassischen Mystery“ steht das Lösen der rätselhaften Ausgangssituation im Fokus der Aktivität. In der Regel werden dazu die Kärtchen mit den Informationen auf einem Ergebnisplakat oder Schaubild angeordnet. Zur Verdeutlichung der Bezüge können Pfeile ergänzt werden. Teilthemen können mithilfe von Überschriften oder Schlagworten strukturiert werden. Dieser Prozess unterstützt das vernetzte Denken und ermöglicht die Erstellung individueller Lernprodukte.
Die Kärtchen zum Ausschneiden für das Mystery kannst Du hier herunterladen.
Einführung für deine SuS
Ein Mystery ist ein „rätselhafter Fall“, den es mithilfe von Hinweisen und logischer Kombinationsgabe zu erklären gilt. Wie ein Detektiv sichten Sie Informationen und „Indizien“ zu dem Fall und stellen diese in einen sinnvollen Zusammenhang. Kern des Mysterys ist eine Aussage, die zunächst überraschend erscheint. Vielleicht haben Sie schon erste Vermutungen, worum es sich handeln könnte. Notieren Sie sie auf einem Zettel und vergleichen Sie später mit der Lösung.
Da es sich um ein historisch-militärstrategisches Rätsel handelt, ist es nicht nur spannend, zu erfahren, was eigentlich geschehen ist, sondern vor allem auch warum. Es geht also um die Motive und Hintergründe des Ereignisses. Mithilfe der Indizien auf den kleinen Kärtchen lässt sich eine Übersicht erstellen, die Zusammenhänge, Ursachen und Folgen verständlich macht. Schneiden Sie die Kärtchen aus und legen Sie sie vor sich auf den Tisch. Lesen Sie die Informationen und versuchen Sie, sie in eine sinnvolle Anordnung zu bringen. Es gibt an einigen Stellen mehrere Lösungen. Die Gesamterklärung am Ende ist aber eindeutig.
Arbeiten Sie mit einer Partnerin/einem Partner und diskutieren Sie anschließend unterschiedliche Lösungen im Plenum. Ausgehend von diesem Ergebnis ergeben sich dann noch weiterführende Arbeitsaufträge. Und hier kommt nun der rätselhafte Fall:
Wir schreiben das Jahr 1812. Napoleon Bonaparte, der
Kaiser der Franzosen und Herrscher über große Teile
Europas, ist auf dem Höhepunkt seiner Macht.
Hätte Napoleon bessere Meteorologen in seinen Diensten
gehabt, wäre er wahrscheinlich nicht auf einer einsamen
Insel gestorben.
Leitfragen/Arbeitsaufträge
- Stellen Sie erste Vermutungen an, welcher Zusammenhang zwischen den beiden Aussagen zum Mystery bestehen könnte.
- Lösen Sie das Mystery, indem Sie die Informationskärtchen in einen sinnvollen Zusammenhang bringen. Schneiden Sie dazu die Kärtchen aus und erstellen Sie daraus ein Schaubild/eine Mindmap. Arbeiten Sie dazu mit einer Partnerin/einem Partner.
- Stellen Sie Ihre Ergebnisse in der Klasse vor und erläutern Sie die Zusammenhänge und Hintergründe. Nehmen Sie dabei auch Bezug auf die Aussagen vom Anfang.
Lehrerhinweise zum Mystery zu Napoleon
Das Mystery kann zum einen klassisch chronologisch im Rahmen einer Reihe zur Französischen Revolution und Napoleon eingesetzt werden. Bei dieser Einsatzvariante sollte vorher Napoleons Aufstieg zum Kaiser der Franzosen behandelt werden, sodass deutlich wird, dass er sich auf dem Höhepunkt seiner Macht befand. Bei der Behandlung des Werdegangs sollte allerdings auf die bekannte Karikatur „Napoleons Stuffenjahre“ zu seinem Aufstieg und Fall verzichtet werden, da diese bereits die Lösung des Mysterys vorwegnehmen würde. Die Lernenden erhalten durch das Mystery einen tieferen Einblick in den Russlandfeldzug sowie einen überblicksartigen Eindruck zum Ende Napoleons, wobei sich hiervon einzelne Aspekte natürlich bei Bedarf in den Folgestunden vertiefen lassen. Zum anderen könnte das Mystery aber auch beispielsweise im Rahmen einer Vertretungsstunde „gespielt“ werden. Hierbei müsste lediglich im Rahmen eines kurzen Lehrervortrags der Werdegang Napoleons bis zum Höhepunkt seiner Macht dargelegt werden. Es empfiehlt sich, innerhalb einer Vertretungsstunde den Schwerpunkt auf den Komplex des Russlandfeldzuges zu legen und mit den Schülerinnen und Schülern verstärkt auf die Dimensionen und Emotionen einzugehen.
Wir wünschen dir viel Erfolg beim Einsatz der Mystery-Methode. Mehr Mysterys findest du im Heft “Mysterys im Geschichtsunterricht” aus der Reihe “Geschichte betrifft uns”.
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