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Die deutsche Sprache heute: Wandel oder Verfall?

Sprache wandelt sich. Manche sehen darin Verfall
Sprache wandelt sich. Manche sehen darin Verfall © Adobe Stock Jannis Werner

Anglizismen, Emojis, Gendersternchen – die deutsche Sprache ändert sich laufend. Das betrifft sowohl die gesprochene Sprache als auch die Schriftsprache und geht nicht immer ohne Widerstand von uns Sprechenden und Schreibenden ab. Wie schwer wir uns mit Änderungen in der Schriftsprache tun können, beweist die Diskussion um das Gendersternchen. Auch 2023 gibt es keine Entscheidung zur Anerkennung des Gendersternchen durch den Rat für deutsche Rechtschreibung.

Verfällt die deutsche Sprache?

Ein Blick in die Leserbriefseiten der regionalen Tageszeitungen genügt: In regelmäßigen Abständen finden sich dort bitterböse Beschwerdebriefe über den (vermeintlichen) Verfall der deutschen Sprache. Als Beispiel dient häufig die Deutsche Bahn: Warum muss es Servicepoint oder Counter heißen? Aber auch Verben wie liken oder chatten rufen Widerstand hervor – das kann man doch alles besser auf Deutsch sagen, oder?

Warum verändert sich Sprache überhaupt?

Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit. Sprachen haben sich immer schon verändert. Da sie der Kommunikation dienen, passen sie sich wie die Menschen veränderten Umweltbedingungen an, müssen sich durch neue (technische) Möglichkeiten wandeln und auch neue Redegegenstände integrieren.
Ein schönes Beispiel bietet die englische Sprache. Für die typischen Bauernhoftiere kommen die Begriffe aus dem Angelsächsischen: cow, pig, calf. Als die Normannen ab 1066 das Land eroberten, brachten sie eine gehobene Esskultur mit und die Wörter für das aus den Tieren zubereitete Fleisch basierten nun auf den französischen Begriffen: aus cow wurde beef (beouf), aus pig pork (porc) und aus calf wurde veal (veau). Die neue französische Oberschicht brachte Wörter ins Englische ein – entweder neue Begriffe oder durch Bedeutungsdifferenzierungen von bereits Bestehendem. Sprache hat auch immer mit kulturellen Gegebenheiten zu tun und mit dem, was als kulturell höherstehend angesehen wird.

Fällt der Sprachwandel auf?

Den meisten Menschen fallen erst einmal neue Wörter in ihrer Sprache auf, besonders, wenn sie aus fremden Sprachen kommen. Bei der Beurteilung der „Fremdlinge“ wird von den Sprechenden oft unterschieden, ob der neue Begriff schon – wenn auch vielleicht nicht ganz identisch in der Bedeutung – in der eigenen Sprache vorhanden war oder nicht. Kein Mensch käme auf die Idee, das T-Shirt aus dem Wortschatz zu verbannen und stattdessen „T-förmiges Unterziehhemd mit kurzen Ärmeln aus Baumwolle“ zu verwenden.
Schwieriger wird es schon mit dem „Portemonnaie“ und der „Geldbörse“. Im Prinzip gibt es keinen nennenswerten Unterschied, beide Begriffe bestehen nebeneinander. Allerdings versuchen Sprachen, ökonomisch zu sein und oft setzt sich der knappe Begriff durch. Im Falle der Emojis ersetzt sogar ein neues Zeichensystem Gefühlszustände oder emotionale Reaktionen. 😊 statt „Mir geht es gut“ – das ist deutlich praktischer, zumindest in einem nicht-beruflichen Umfeld.

Wie war es noch in 2020?

Aber auch grammatische Strukturen sind der Veränderung unterworfen. Die Verwendung der Präposition „in“ vor einer Jahreszahl stammt aus dem angelsächsischen Raum und hat sich innerhalb der letzten Jahre allmählich im deutschen Sprachraum verbreitet. Standardsprachlich wird im Deutschen entweder nur die Jahreszahl verwendet oder „im Jahr(e)“ und dann die Zahl. Wenn man heute in Zeitungen und Zeitschriften guckt, sieht man, dass der sprachliche Import „in plus Jahreszahl“ auf dem besten Wege ist, sich als Standard durchzusetzen.

Und das Fazit?

Sprachen sind nicht statisch, sondern dynamisch. Sie unterliegen dem Wandel, weil die Lebenswelt der Menschen sich wandelt. Manche Newcomer füllen eine Lücke und werden recht schnell integriert. Andere geben nur ein kurzes Gastspiel und verschwinden dann wieder. Was Sprache aber auf keinen Fall ist – langweilig.

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